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Bastard Ass(i) from Hell #31 - #36

Nach oben Bastard Ass(i) from Hell #31

© Florian Schiel

Ich sitze im Büro und stöbere gelangweilt in der neuen Telefon-CD herum. Frau Bezelmann ist nicht eingetragen, wie ich gerade festgestellt habe; wahrscheinlich ist ihre Privatnummer supergeheim. Nachdem ich die üblichen Bekannten und die ganze Verwandtschaft abgeklappert habe, beginne ich nach orginelleren Namen zu suchen. Es ist kaum zu glauben aber es gibt tatsächlich (wenn man dem Postverlag glauben darf) zwei 'Rosa Flieder', eine 'Genevieve Bierdimpfl' und einem 'Gerhard Möse'. Wahre Helden des Alltags!

'Adolf Hitler' finde ich zwar keinen, aber dafür immerhin drei Leute, die immer noch diesen Namen führen. Zu meinem Entzücken entdecke ich auch einen Herrn 'Stalin', allerdings nur einen. Ist der Rest seiner Familie ausgewandert? Nehmen wir mal an, durch irgendeine Augenblickslaune des Schicksals (denn auf die in den oberen Etagen kann man sich sowieso nicht verlassen; völlig humorlose Celestokraten) trifft Herr Stalin eines Tages ein Fräulein Hitler, und sie verlieben sich ineinander. Bei der Hochzeit kann man dann mit Fug und Recht von einem neuen Hitler-Stalin-Pakt sprechen.

Ist es nicht eigenartig, dass wir häufig von ganz berühmten Namen annehmen, dass diese einzigartig, gewissermassen nur für diese Berühmtheit reserviert sind? Wir sprechen ja dann auch von 'der Bardot' oder sagen 'der Hitler'. Wenn wir zufällig erfahren, dass auch die Gemüsefrau an der Ecke ' Gisela Bardot' heisst, sind wir in irgendeiner Weise erstmal geschockt.

Ich tippe noch ein paar Namen ein. Tatsächlich: es gibt mehrere 'Monroes' und einen 'Klaus Gable' in Deutschland. 'Lenin' und 'Mao' finde ich nicht, dafür gibt es die 'Preslys' auch bei uns und 'Honneckers' in Massen.

Das neue Telefon flötet, aber ich beachte es nicht.

Frau Bezelmann hat nach wochenlangen Kampf mit der Institutsleitung durchgesetzt, dass unsere altgediente Telefonanlage (Orginal Siemens Anno 1939 mit Maschinengewehr-Sound) durch eine hypermoderne ISDN-Anlage ersetzt wird. Was bei der Bestellung noch niemand (ausser Frau Bezelmann) wusste: die neue Anlage bietet ungeahnte Möglichkeiten, vor allem für den, der in der Zentrale sitzt.

Die üblichen Kinkerlitzchen wie Direktdurchwahl, Konferenzschaltung, Ansagetexte und frei programmierbare Pausenmelodien sind schon Schnee von gestern. Interessant wird es zum Beispiel bei der Voice-Mail. Nicht nur, dass die Telefonanlage Nachrichten für jede Nebenstelle, sprich Mitarbeiter, speichern kann, diese sind natürlich auch von aussen abrufbar. Und wenn ein Mitarbeiter sich einmal weigern sollte, seine Mailbox abzufragen? Dann ruft die Telefonanlage automatisch zu einem festgelegten Zeitpunkt die Privatnummer des Mitarbeiters an und gibt die Nachrichten durch.

Den Zeitpunkt legt Frau Bezelmann höchstpersönlich fest. Beim Chef ist es zum Beispiel so gegen drei Uhr morgens. Seitdem überprüft sogar der Chef regelmässig seine Voice-Mail.

Damit nicht genug. Zu den 'Features' der neuen Anlage gehört es auch, dass man im Display erkennen kann, wer da versucht anzurufen. Um wirklich wichtige Gespräche trotzdem an den Mann zu bekommen, kann Frau Bezelmann diese Anzeigen allerdings manipulieren, bevor sie ein Gespräch weiterleitet. Kollege O., der dafür bekannt ist, ab 12 Uhr keine Telefongespräche mehr anzunehmen, würde es niemals wagen, ein Gespräch seiner Göttergattin nicht abzuheben. Folglich erhält er in letzter Zeit immer häufiger Anrufe unter dieser Nummer.

Natürlich ist es auch lästig, wenn Frau Bezelmann ein Gespräch nicht durchstellen kann, weil sich der jeweilige Mitarbeiter nicht in seinem Zimmer befindet. Dafür gibt es die praktischen Chip-Namensschilder, die der Telefonanlage zu jeder Zeit mitteilen, wo sich der arme Träger desselben gerade aufhält. Frau Bezelmann braucht nur seine Nummer einzutippen, die Anlage errechnet automatisch, welches Telefon dem Mitarbeiter gerade am nächsten ist und leitet das Gespräch dorthin um. Natürlich muss der Chef ab jetzt so ein Ding immer mit sich führen.

Und sollte er sich einmal auf einem gewissen Örtchen befinden, an dem der normale Bürger normalerweise nicht erreichbar sein möchte, so hat Frau Bezelmann auch für diesen Fall Vorsorge getroffen: seit neuestem hängen links und rechts der Pissoirs an verchromten Ketten zwei niedliche kleine Funktelefone, im Design passend zur Farbe der Fliesen.

Wenn alle Stricke reissen, kann Frau Bezelmann auch noch eine schriftliche Nachricht an das Telefon des Mitarbeiters schicken. Diese erscheint dann als durchlaufender Text im Display des Telefons. Frau Bezelmann verwendet dieses letzte Mittel meistens nur, um besonders hartnäckigen Telefonagnostikern (wie mir) auf die Sprünge zu helfen.

"Ich weiss genau, dass Sie da sind", erscheint jetzt gerade im Display meines flötenden Telefons. "Wenn Sie nicht SOFORT abheben, ..." Es folgen mehrere gestaffelte Drohungen, vom Entzug der Essensmarken bis hin zur schriftlichen Beschwerde beim Chef.

Wenn man sich es genau überlegt, sind wir von Star Trek gar nicht mehr so weit entfernt, nicht wahr?

Glücklicherweise wurde die Software der Anlage von Dilettanten programmiert, zumindest was die Sicherheitsmassnahmen angeht. Es war nicht besonders schwer, ein paar Subroutinen so zu modifizieren, dass die Anlage nach dem Zufallssystem Nebenstellen anruft, wenn Frau Bezelmann versucht, an meine Nummer weiterzuverbinden. Ausserdem hängt mein Chip-Namensschild sicher verwahrt im Hörsaal hinter der Tafel. Und der Hörsaal ist der einzige Raum ohne Telefonanschluss.


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Heute ist 'HH'-Day. Denn heute erscheint gewöhnlich 'Hacker's Havoc', die einzige wissenschaftliche Zeitschrift, die ich gründlich von vorne bis hinten durcharbeite. Eine ungemein anregende Lektüre!

Also gehe ich heute ausnahmsweise in höchsteigener Person zur Poststelle, um nach dem Verbleib von 'Hacker's Havoc' zu fanden.

Der Glaskasten der Poststelle ist leer; ebenso das Postfach für unseren LEERStuhl. Ich will gerade wieder verschwinden, als ich eine vergessene Faxvorlage im Auswurfschacht des Faxgeräts bemerke.

Es gibt immer noch Leute, die glauben, ein Faxgerät 'frißt' die Vorlage komplett auf, zerlegt sie in winzige Papierschnitzel und wandelt die Papierschnitzel in digitale Signale um, die bei der Empfangsstation wie durch ein Wunder wieder zusammengesetzt werden. Aus diesem Grunde beobachtet diese Sorte von Leuten mit höchster Befriedigung, wie das Faxgerät ihr Dokument 'frißt', dann schlendern sie glücklich zurück in ihr Büro und vergessen, daß ihre Faxvorlage auf der anderen Seite gleich wieder ausgespuckt wird.

Manchmal frage ich mich, wie diese Sorte von Leuten überleben kann.

Ich kannte sogar mal eine Studentin, die ihr Referat in einem Hauptseminar damit begann, daß sie ein Buch nahm und es mit der geöffneten Seite nach unten auf den Overhead-Projektor legte. Die Tatsache, daß die Leinwand selbstverständlich dunkel blieb, kommentierte sie mit dem überraschten Ausruf: "Aber das funktioniert ja gar nicht!"

Soviel technisches Unverständnis muß bestraft werden. Also nehme ich die vergessene Faxvorlage mit in mein Büro und fahre die Schilde hoch.

Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich um den Auftrag für eine Kontaktanzeige in einer der größeren Tageszeitungen. Selbstverständlich mit Chiffre, wie es sich gehört. Man will ja nicht unbedingt das Opfer übler Scherze werden, nicht wahr? Absender ist ein Herr Alex Stölzle. Wie ich aus dem Web unschwer erfahren kann, handelt es sich um einen ziemlich jungen Spund, Dipl.- Ing. der Informationstechnik und frisch importiert von der Technischen Universität Stuttgart.

Die Anzeige lautet:

'Charm. ER, 31, 182, 73, Brtr., schl., ungeb., gefühlv., sens., rom., sportl., attr., NR, fin. unabh., su. liebev. SIE, 20-31, NR, bl., zw. gem. Freizeitgest., läng. Bez. erw., sp. Heir. mögl., Ki. ang., nur ernsth. Zuschr. u. Ch. 897453'

In seiner Beschreibung fehlt ganz offensichtlich noch ein 'extr. spars.' für 'extrem sparsam'. Ob es tatsächlich weibliche Wesen gibt, die auf so eine Anzeige antworten? Wahrscheinlich schaut eine Antwort dann ungefähr so aus:

'L. ER! Attr. SIE, 28, 164, 65 + m, 5 J., dklh., zierl., s. sprtl., naturl., intell., gepfl., anschmgs., unkompl., liebesbed., viels. interess., m. pherom. Ausstr., IQ 115, wün. mögl. bald. Treff. m. DIR, hff. auf bald. Antw. unt. Ch. 654355'

Ich überlege einen Augenblick, ob ich die Kontaktanzeige scannen und in den News-Groups alt.contacts.s/m.newcomer oder alt.sex.fetish.blonds posten soll. Aber das habe ich schon Dutzende Male gemacht - und es ödet mich an!

Ich setze mich an den Rechner und tippe eine kurze, aber gefühlvolle Antwort an Chiffre 897453, in der ich die vorgeschlagene zukünftige 'Freizeitgest.' in zarten Pastelltönen ausmale. Dann schlage ich als mögliches erstes Treffen das Cafe 'Pink Roses' vor, nächsten Montag um halb sechs. Erkennungszeichen bei ihm: WalkMan auf dem Tisch, Erkennungszeichen bei ihr: schwarzer Rabe. Dann füge ich noch folgenden Absatz hinzu:

'Lieber unbekannter ER, jetzt habe ich noch eine große Bitte: mein Therapeut meint, daß ich instinktiv negative Gefühle aufbaue, wenn mich ein Unbekannter zuerst anspricht. Daher bitte ich dich inständig: bleib solange stumm, bis ich den Mut aufbringe, dich anzusprechen. Ich möchte nicht, daß unsere hoffnungsvolle Beziehung schon zu Beginn ... blablabla...raspelraspelraspel...blablabla'

Dann beginne ich einen zweiten Brief, adressiert an Frau Bezelmann, mit dem Absender: 'Deutsche Arbeitsgemeinschaft der Rabenvögel-Halter e.V. (DARH), Kienzlegasse 4, 76854 Koblenz'

Sehr verehrte Frau Bezelmann,

wie unser Verein erfahren hat, sind Sie seit Jahren im Besitz eines Rabenvogels, genauer gesagt eines Kolkraben, corvus corax. Den Kolkraben wird immer nachgesagt, daß sie außerordentlich intelligent und in längerer Gefangenschaft sogar in der Lage seien, die menschliche Sprache in gewissem beschränkten Umfang zu erlernen. Unser Verein hat es sich u.a. zur Aufgabe gemacht, diesen Gerüchten über den Kolkraben nachzugehen. Da es leider nur sehr wenige Exemplare gibt, die in längerer Gemeinschaft mit Menschen gelebt haben, möchten wir Sie herzlich bitten, sich mit einem Mitglied unseres Vereins, Herrn Dr. Stölzle, einem anerkannten jungen Ornithologen zu treffen. Unser junger Kollege möchte gerne die linguistischen Fähigkeiten Ihres Kolkraben in natürlicher Umgebung (also keinesfalls im Labor!) studieren. Er schlägt vor, daß sie sich in der entspannten Atmosphäre eines Cafes, genauer gesagt dem Cafe 'Pink Roses' mit ihm treffen und Ihren Raben gleich mitbringen. Wenn es Ihnen recht ist, nächsten Montag um halb sechs. Sie erkennen Herrn Dr. Stölzle an dem kleinen Bandgerät, das er vor sich auf dem Tisch liegen hat. Damit Ihr corvus corax möglichst unbeeinflußt bleibt, bittet Herr Stölzle Sie, anfangs möglichst gar nichts zu sprechen. Denken Sie bitte daran, wenn Sie unsere Einladung annehmen (Getränke und Verzehr gehen natürlich zu Lasten des Vereins).

Mit freundlichen Grüßen,

Annabel Jolinger (1. Vorstand)

Dann vermerke ich den Termin in meinem xcal - damit ich auch bestimmt pünktlich, komplett mit Videokamera, zur Stelle bin, um die beiden großen Schweiger in Aktion zu erleben.

GROSSES B.A.F.H.-HERBST-QUIZ

Wer SÄMTLICHE folgenden Abkürzungen korrekt wiedergeben kann und sie mir per email zuschickt, bekommt die nächste Folge des B.A.f.H. KOSTENLOS zugeschickt. (Alle übrigen überweisen gefälligst DM 9,78 auf das Konto des BAFH!)

schl.
g. sit.
ungeb.
geb.
partnerf.
zierl.
fin unabh.
gepfl.
int.
ehrl.
aufricht.
vorz.
berufl st. eng.
dklh.
Ki. ang.
ruh.
gereg. E.
temp.
keine PV
kultiv
dyn. schö.
viels. int.
anpassf.
sympath.
sens.
gutauss.
fröhl.
unkompl.
32,168,59+m, 5 J
warmh.
zuverl.
bld.
Brtr.
lt. Pos.
unk.

(Quelle: 'Pan-Galaktischer Beobachter' Sternzeit 345643,6)

AUFLÖSUNG UND SIEGEREHRUNG ZUM B.A.F.H. HERBST QUIZ

Von allen 20.657 Einsendungen hat sich nur eine einzige als vollständig richtig herausgestellt. Und zwar die Einsendung von

RALF ZWANZIGER

(alle anderen Bimbos sollten sich überlegen, a) warum sie nicht mitgemacht haben b) wenn sie mitgemacht haben, warum sie nicht unter den Gewinnern sind c) warum sie Bimbos sind)

Zur Ehrung des Gewinners drucken wir hier und an dieser Stelle die vollständige Lösungsskizze von Ralf Zwanziger ab. Die Jury (einziges Mitglied: B.A.f.H.) gratuliert dem strahlenden Sieger.

(Bei dieser Gelegenheit: nicht vergessen, dass alle Verlierer ab der nächsten Folge DM 9,78 auf das Konto des B.A.f.H. überweisen - harharhar)

DIE RICHTIGE LÖSUNG:

schl. = schlau
g. sit. = Geschmack (Musik): Saga in transit
ungeb. = ungeboren
geb. = geboren
partnerf. = Partnerfürsorge
zierl. = Zum innigen Erleben reichlich liiert
fin. unabh. = Fingermässig unabhängig
gepfl. = gepflückt
int. = Interrupt
ehrl. = extended heart, really lovely
aufricht. = aufrichten
vorz. = von oben reichlich zierlich
berufl. st. eng. = beruflich studiere ich Englisch
dklh. = dann kann Liebe herrschen
Ki. ang. = Kinn angeboren
ruh. = Ruhelos
gereg. E. = geregelter Entsafter
temp. = temporär
keine PV = keine Prostata-Vergrösserung
kultiv = 5. Fall der dt. Sprache: Nominativ, ..., Akkusativ, Kultiv.
dyn. schö. = dynamische Schönheit (bedeutet: nach dem Abschminken hässlich)
viels. int. = vielseitige Interruptmöglichkeiten
anpassf. = auch nach Partnertausch am sexuellen Spass festhaltend
sympath. = besitze Regenkleidung aus Sympathex
sens. = ich bin Sensenhersteller
gutauss. = gute und teure Ausstattung
fröhl. = frisch, öhlig, lustbetont
unkompl. = no complement = sowas wie mich gibt es nicht zweimal
32,168,59+m, 5 J = 32 Sektoren, 168 Köpfe, 59 Spuren mit MPEG-Daten, 5 davon JPEG-codiert
warmh. = Warmwasserheizung
zuverl. = Zuverlässigkeit = 1 / Ausfallwahrscheinlichkeit
bld. = Beileidsdelegramm (="Beileidstelegramm" auf sächsisch)
Brtr. = Brot, trocken
lt. Pos. = lateinische Position (=ich war Feldherr unter Cäsars Armee)
unk. = Unkenntnis


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Es ist höllisch früh am Morgen, praktisch noch Nacht, aber ich bin schon in meinem Büro. Ein schweres Los, das ich da zu tragen habe! Vorsichtig hebe ich das linke Augenlid und blinzele auf die Uhr in meinem Display, auf dem die Reste von 'Monkey Island' zu sehen sind. Sie zeigt halb elf Uhr an. Na bitte! Sagt' ich's nicht?

Ich schliesse die Augen wieder und taste mich vorsichtig durch den Gang zur Kaffeemaschine. Den Weg würde ich auch im Tiefschlaf finden!

"Guten Morgen! Wir würden Sie mal gerne fragen: Haben Sie sich schon mal Gedanken über die Bibel gemacht?"

Ich halte an und öffne beide Augen zu einem winzigen Spalt. Das harte Neonlicht der Lampen in unserem Flur malträtiert meine armen Netzhäute. Vor mir stehen zwei Typen mit Anzug und Krawatte und grinsen mich freundlich an. Beide haben glänzende Schuhe, eine schmale Aktenmappe unter dem rechten Arm, kurzgeschnittene Haare und das typisch-dämliche Wachturm-Zeugen-Jehovas-Missions-Grinsen auf der Fratze. Ich fass' es nicht! Zu nachtschlafender Zeit! Am LEERstuhl!

Ich sage: "Äh... nein! Heute noch nicht..." "Na, das sollten Sie aber mal nachholen", sagt der Ältere, und der Jüngere grinst aufmunternd zu diesen herzerwärmenden Worten. "Wenn Sie wollen, können wir Ihnen dabei behilflich sein. Sofort, wenn Sie wollen. Wir haben viel Zeit."

Ich nicke den beiden Halluzinationen beruhigend zu und giesse mir erst einmal einen Becher Morgens-Nachmittags-und-Abends-Droge hinter die Binde. Als ich die Augen wieder aufmache, stehen die beiden immer noch im Gang und grinsen mich an. Teufel! Also doch keine Halluzination!

"Ja... wie wär's, wenn wir in mein Büro gehen", sage ich, und die beiden ZJs strahlen. In Nullkommanix haben sie aus ihren Aktentaschen abgegriffene Bibeln mit hunderten von Merkern an der Seite herausgeholt. Der Ältere fängt an und ich schalte beide Ohren auf Durchzug. Immerhin schaut es vom Gang her so aus, als ob ich mit schwierigen Verhandlungen befasst wäre, und niemand wagt es, meine Morgenruhe zu stören.

Niemand ausser Leo. Leo ist unser neuester Mitarbeiter. Der geborene Spezialist, Fachidiot, Elfenbeinturmhocker, so ein richtiger Bytewusler, für den die Welt nur aus Rechnern, Nicht-Rechnern und ein paar Quanteneffekten am Rande besteht. Der ältere ZJ sagt gerade: "... und daher sind wir durch Gottes Wort gewarnt. HIER finden Sie alles. ALLES war schon einmal dagewesen. WIR sind vorbereitet. Denken Sie nur an Sodom und Gomorrha..." als Leo ohne anzuklopfen in mein Büro platzt. Er starrt mich durch seine dicken Brillengläser, Stärke minus 8, aufgeregt an und ruft: "Mensch, Leisch! Ich habs! Der back-getrackte Viterbi-Beam-Search hat retro-gradiente Tensorschwankungen in GOS verursacht. DESHALB ist die Fusionssimulation explodiert!"

Jetzt erst bemerkt Leo, dass ich nicht allein bin. "Die Herren sind von der Wachtturm-Gesellschaft", stelle ich vor, und die beiden ZJs grinsen wieder freundlich. "Oh, hallo", meint Leo und späht kurzsichtig durch die dicken Linsen, "Software oder Hardware?" Das Grinsen der beiden ZJs wird tendenziell fragend: "Äh... wie meinen...?" "Eher Software. Wir sprachen gerade über Sodom und Gomorrha", sage ich erläuternd. Leo schaut verständnislos: "Das neue Micro-Code-Protokoll für den assoziativen Mega-Cache?" "Nein, nein", schaltet sich der jüngere ZJ ein, "Sodom und Gomorrha. Sie wissen doch: die Städte, die wegen ihrer Sündhaftigkeit mit Feuer und Schwefel ausradiert wurden." Leo schaut verdutzt: "Wann soll'n das gewesen sein? Da hätt' ich doch was übers Internet mitbekommen müssen..." Die beiden ZJs starren ihn an, als ob er geradewegs vom Himmel zu uns ins Büro gestiegen wäre. "Ja, haben Sie denn noch nie das erste Buch Mose gelesen?" fragt der Ältere fassungslos mit zitternder Stimme. Schweisstropfen hängen ihm in den gesträubten Augenbrauen. Leo's gefurchte Stirn hellt sich auf: "Multiple Operations Systems Environment. Klar, kenn' ich doch! Ist aber ein alter Hut. Heute benutzt doch jeder schon lange keine GOD- Strukturen mehr..." Den beiden ZJs dämmert es, dass hier ein ernsthaftes Kommunikationsproblem vorliegen könnte. Wie kann man jemanden Angst vor dem jüngsten Gericht einjagen, wenn er nicht einmal die einfachsten Grundbegriffe des Buchs der Bücher kennt. "Aber.. aber die Bibel haben Sie doch schon bestimmt mal gelesen... nein? Aber davon gehört?" fragt der Ältere hoffnungsvoll. "Hmm, ja", meint Leo nachdenklich. "Im alten NextStep war immer eine Datei 'Bibel.txt' mit dabei. Die haben wir immer für die Performance-Benchmark mit spell verwendet..." "Was??" "Naja, wir haben die Textdatei 'Bibel.txt' dem Speller vorgeworfen und dann die Zeit gemessen, bis er alle Fehler darin gefunden hat. Das war 'ne ganz gute Benchmark. Hat meistens so 45 Minuten gedauert..." Den beiden ZJs treten die Augen aus den Höhlen. "Fehler? In der Bibel?!" "Massenhaft", bestätigt Leo ernsthaft nickend.

Die ZJs geben nicht auf. Zäh sind sie schon, das muss sogar ich zugeben. "Aber meinen Sie denn nicht, dass Sie sich auch das angekündigte Ende vorbereiten sollten? Wir könnten Ihnen doch zeigen, hier in der... äh... Bibel..." Leo schaut mich entsetzt an: "Ende? Wurde mein Kontrakt etwa nich' verlängert?!" Ich beruhige ihn. "Na, dann", meint Leo erleichtert, "Sie haben mir vielleicht einen Schrecken eingejagt... Da fällt mir ein, ich muss noch den neuen Scanner tunen..." und weg ist er. "Aber die... die Sintflut! Denken Sie doch mal an die Sintflut!" brüllt ihm der Jüngere hinterher. "Ja?" sage ich ruhig, "was ist damit?" Die beiden ZJs, etwas aus der Fassung gebracht, aber noch nicht geschlagen, konzentrieren sich wieder auf mich. "Äh.. ja, die Sintflut oder Sündflut, 1. Buch Moses 6 - 8, da sehen Sie doch, was wir jederzeit wieder gegenwärtig sein müssen, wenn wir weiter so gottlos leben wie bisher..."

Inzwischen ist es halb zwölf, Zeit fürs Mittagessen, und die Burschen gehen mir allmählich auf den Geist. "Erstens", sage ich, "kommt 'Sintflut' nicht von 'Sündflut', sondern von 'Sinvluot', was auf althochdeutsch einfach 'grosse Flut' bedeutet. Zweitens sind inzwischen die meisten Ihrer Mitmenschen begeisterte Surfer, Taucher, Segler und sonstige Wassersportler, die gegen ein bisschen mehr Wasserfläche bestimmt nichts einzuwenden hätten. Also was solls? Drittens weiss ich aus sicherer Quelle - ich habe nämlich erstaunliche Connections - dass in nächster Zeit ganz bestimmt keine Sintflut auf dem Programm steht. Und viertens geh ich jetzt zum Mittagessen. Aber vorher verrate ich Ihnen noch etwas, womit Sie Ihr nächstes Opfer beeindrucken können. Schlagen Sie mal die Offenbarung Johannes 8, 10-11 auf und lesen Sie vor!"

Der Jüngere gehorcht tatsächlich: "'Und der dritte Engel blies seine Posaune; da fiel ein grosser Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel und fiel auf den dritten Teil der Ströme und auf die Quellen. Und der Name des Sterns ist Wermut. Und der dritte Teil des Wassers wurde bitter, und viele Menschen starben von dem Wasser, weil es so bitter geworden war.'"

Die beiden ZJs starren mich erwartungsvoll an. "Wissen Sie was 'Wermut' auf russisch heisst? Tschernobyl!" sage ich und gehe hinunter in die Cafete.


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Auf dem Gang krächzt es heiser. Ein schlechtes Zeichen!

Wenn Frau Bezelmann ihren Raben Nero mitschleppt, heisst das, dass sie nicht nur mal eben für kleine Mädchen geht. Es heisst, dass sie in offizieller Mission unterwegs ist, am Ende sogar im Auftrag des Chefs. Offizielle Mission - das riecht nach Ärger, oder schlimmer: nach Arbeit.

Im nächsten Moment steht sie auch schon im Türrahmen. Typisch, dass sie bei mir anfängt! In der linken Hand trägt sie einen Teller, DEN Teller. Nero sitzt auf ihrer linken Schulter festgekrallt und betrachtet mich höhnisch aus seinen kleinen gelben Knopfaugen. Jedesmal, wenn mich dieses gerupfte Rabenvieh anstarrt, sehe ich in seinem Blick die unendliche Verachtung der geflügelten Kreatur über uns lächerliche Erdenwürmer. Dann denke ich ganz schnell an meinen rabensicheren Kühlschrank zuhause, damit ich keine Depressionen bekomme.

Frau Bezelmann erläutert mit zusammengepressten Lippen, dass sie für einen Blumenstrauss sammele; für den Kollegen J., der momentan im Krankenhaus liegt.

Frau Bezelmann betont das Wort 'Blumenstrauss' ungefähr wie 'thalasianisches Höhlenstinktier'. Frau Bezelmann hat für solche läppischen Sentimentalitäten nicht viel übrig, genauer gesagt, überhaupt gar nichts. Wenn es wenigstens ein Kaktus, eine hübsche Carnivore oder wenigstens eine gescheite Distel gewesen wäre! Das Sekretariat ist inzwischen voll davon; manche schnappen, wenn man zu dicht dran vorbeigeht. Besonders beliebt bei den Mitarbeitern ist auch der 'Post-Kaktus': Frau Bezelmann pflegt die Post nicht mehr in die Fächer zu verteilen, sondern piekt sie auf einen riesigen Säulenkaktus in der Ecke des Sekretariats. Je unbeliebter man im Sekretariat ist, desto tiefer im Stachelgewirr muss man seine Post suchen. Fairerweise muss ich hinzufügen, dass Jodtinktur und Verbandsmaterial immer bereitliegen.

Frau Bezelmann hält mir also DEN Teller hin; ihre andere Hand hält sie hinter dem Rücken verborgen. Die herabgezogenen Mundwinkel irritieren mich; normalerweise ist das ein gefährliches Zeichen.

"Was haben Sie da eigentlich hinter Ihrem Rücken?" frage ich vorsichtig. Ihre Mundwinkel zucken ganz leicht. "Etwas, was die Spendenfreudigkeit der Mitarbeiter sichern soll", sagt sie bissig, und Nero krächzt beifällig.

Ich zahle anstandslos meinen Obulus - schliesslich weiss ich vom Herumstöbern in ihren Mails, dass Frau Bezelmann seit neuestem Mitglied im feministischen Schützenverein 'Pink Ladykillers' ist. Und im Sekretariat lagen in letzter Zeit öfters Waffenkataloge herum...

Wenig später kracht es weiter hinten im Korridor - offensichtlich hat ein geiziger Mitarbeiter die Zeichen falsch verstanden...

Kollege J. ist übrigens nicht wegen Blinddarm oder Tonsilektomie bei den Profi-Quacksalbern. Oh nein! Er erholt sich von einem fast tragisch verlaufenen Lachkrampf!

Vorige Woche hatte der Chef den Kollegen J. gebeten, ein Software-Paket für Windows 95 auf seinem Laptop zu installieren. Der Laptop des Chefs ist der einzige Rechner am LEERstuhl, der unter Windows 95 fährt bzw. vor sich hin torkelt. Kollege J., von Natur aus gutmütig und hilfsbereit, ist nach vier Tagen am Ende seiner geistigen Kräfte - und die Software läuft immer noch nicht. Ausgerechnet zu diesem kritischen Zeitpunkt taucht ein Vertreter auf, der uns seine neuen Industrie-PCs anpreisen will. Frau Bezelmann schickt ihn ahnungslos zum Kollegen J. (bei mir versucht sie sowas schon gar nicht mehr; ich lasse die Burschen gar nicht erst in mein Büro!). Kollege J. schaut sich das Vorführmodell an, dass der Vertreter freundlicherweise gleich mitgebracht hat, und fragt, warum das Ding keinen Reset-Knopf habe. Daraufhin erläutert ihm der Vertreter treuherzig, dass inzwischen die meisten Anwender ja Windows 95 verwendeten und das sei ja sooo stabil, dass man ja eigentlich auf den Reset-Knopf verzichten könne.

Kollege J. starrt den Mann einen Augenblick lang fassungslos an und dann - ROTFL. Ein geradezu klassischer Fall!

(Falls jemand nicht wissen sollte, was 'ROTFL' bedeutet, soll er sich erstens schämen und zweitens ist es die Abkürzung für 'Rolling on the floor laughing'.)

Als Kollege J. nach drei Stunden und 27 Minuten immer noch im Zustand ROTFL ist und kaum noch Luft bekommt, ruft Frau Bezelmann den Notarzt. Noch bevor dieser eintrifft, kommt mir die rettende Idee, dem Patienten die Installationsanleitung von Win95 laut vorzulesen. Schon nach dem ersten Absatz geht Kollege J.s lebensbedrohlicher Lachkrampf in einem ebenso lebensbedrohlichen Weinkrampf mit suizidalen Tendenzen über. Bevor er jedoch die nächste Steckdose erreichen und sich selbst defibrillieren kann, kommen zum Glück die Sanitäter (Sanitöter?) und nehmen ihn hops.

Inzwischen hören wir, dass Kollege J. auf dem Wege der Besserung ist. Es kam noch einmal zu einem schweren Rückfall, als die Schwester in der Aufnahmestation J.s Personalien mit einem Win95-PC erfassen wollte, der keinen Reset-Knopf hatte. Aber inzwischen geht es ihm wieder blendend.

Er liest viel; vor allem über UNIX und veraltete VMS-Manuals...


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Mein Telefon schmachtet mich an: "Nimm' mich! Nimm' mich!"

Das traditionelle Telefonklingeln kommt ja sowieso immer mehr aus der Mode, aber dem üblichen billigen Synthesizer-Gedüdel kann ich nun gar nichts abgewinnen. Deshalb habe ich mein Telefon mit einem Voice-Chip versehen und auf Mariannes Stimme programmiert - im Schlafzimmer- Modus, versteht sich! "Nimm' mich! Nimm' mich! Nimm' mich!"

Ich sehe am Display, dass es sich um ein internes Gespräch handelt, also schalte ich das neue Video ('Terminator (18)') auf Pause und hebe ab. Es ist Frau Bezelmann.

"Ein Hörr Oberstöötsröt Pickert vom österreichischen Verkehrsministerium möchte Hörrn Doktör Leisch sprechen!"

Frau Bezelmann hält nichts von akademischen Titeln; daher die affektierte Betonung. Eine solche Haltung trifft bei allerdings den Österreichern auf keinerlei Verständnis. Ich schaue auf die Uhr in meinem Display und schalte den Video ganz ab. Noch nicht mal halb zwölf Uhr und schon wieder Stress!

Herr Oberstaatsrat Pickert begrüsst mich mit wienerischer Jovialität, eben so richtig von mächtigem Oberstaatsrat zu popeligem Doktor, nicht wahr? Nach einigen einleitenden Begrüssungsfloskeln kommt er schnurstracks zum Kern seines Anrufs: "Ihr... äh... Institut hat doch in unserem Auftrag die Entwicklung der ÖstAuVig übernommen..."

Ich bestätige freundlich, dass dem so sei. Der Chef hatte über irgendwelche Spezeln im Wiener Innenministerium diesen kleinen Auftrag an Land gezogen und mir aufs Auge gedrückt: 'Entwurf und Herstellung der österreichischen Autobahn-Vignette', kurz ÖstAuVig.

"Ja, also", fährt der österreichische Oberstaatsrat kritisch fort, "wir haben ja jetzt die ersten Muster von Ihnen bekommen, und ich hätte da noch... hm... ein paar Fragen... Warum gibt es eigentlich nur ein Pickerl für zehn Tage und dann gleich eins für zwei Monate? Wäre ein Monat nicht sinnvoller gewesen?" "Vielleicht", antworte ich. "Nach unserer Computersimulation sind aber zehn Tage und zwei Monate die absolut ungünstigsten Zeitspannen für ihre Urlauber." "Aber..." "Denn einerseits macht heutzutage niemand mehr nur eine Woche Ferien, andererseits hält es auch niemand zwei Monate in Österreich aus. Sie werden also massenweise die 2-Monats-Vignetten verkaufen und machen einen hübschen Gewinn, ohne dass die Leute die zwei Monate wirklich ausnutzen können."

Das leuchtet den Oberstaatsrat natürlich ein. "Aha. Nun gut. Aber was die Pickerl selber angeht... ähm... in der Spezifikation steht... Moment... 'Trapezförmig, mit dem österreichischen Bundesadler als dominante Graphik (in Silber gehalten) in der Mitte...' Also, irgendwie sieht mir die Graphik nicht aus wie der österreichische Bundesadler..." "Finden Sie wirklich?" Ich hole das Photo aus dem Ordner und betrachte es kritisch. Frau Bezelmann hat im letzten Fasching ihren Raben Nero mit silbernem Haarspray 'verkleidet'. Zum Glück konnte ich ein Photo auftreiben. "Also, es ist zweifellos ein grosser Vogel mit Schnabel und ausgebreiteten Schwingen; er ist ganz in Silber und ich finde, er schaut sehr österreichisch aus. Vielleicht könnte man offiziell verlautbaren, es handele sich um den österreichischen Bundesadler in Art Deco."

"Na schön", meint der Oberstaatsrat, unsicher geworden. "Lassen wir die Ästhetik mal beiseite. Aber es gibt noch ein viel dringenderes Problem: wir haben eins Ihrer Muster mal hier in meinem Büro an die Scheibe geklebt. Und jetzt geht das Ding nicht mehr weg! Auch nicht mit dem Glasschaber! Der Fensterputzer hat bei dem Versuch, es zu entfernen, sogar die Scheibe zerbrochen..." Ich blättere in den Spezifikationen: "Hmm... Abschnitt 4, Punkt 3, zweiter Absatz... haben Sie das auch vorliegen? Gut. Da heisst es nämlich: 'Die Vignette ist so zu gestalten, dass ein zerstörungsfreies Ablösen unmöglich gemacht wird usw.' Ich würde sagen, wir haben uns ziemlich genau an die Spezifikation gehalten..."

Der Herr Oberstaatsrat sieht das zwar anders, muss aber zugeben, dass nirgendswo spezifiziert wurde, WAS beim Ablösen 'zerstört' werden soll. "Sie haben ja keine Ahnung, was da an Schadensersatzansprüchen auf uns zu kommt!" klagt er. Ich versuche ihn zu trösten: "Was kann da schon passieren: ein Jahr hat 365 Tage. Also kann man im Extremfall 36 Vignetten pro Jahr auf die Windschutzscheibe kleben. Da bleibt immer noch genug Platz zum Durchschauen..." "Aber..." "Oder empfehlen Sie den Leuten doch einfach, sie sollen das Ding von aussen auf die Windschutzscheibe kleben. Nach den Ergebnissen unserer Bewitterungsversuche im Materialprüfungsamt löst sich die Vignette nach 400 Stunden Bewitterung mit österreichischen Wetter sowieso von allein ab." "Was!?" "So steht's in unserem Zwischenbericht. Seite 345 oder 435 oder so. Interessanterweise löst sich der Bundesadler erst ganz zum Schluss..." "Aber... aber... wenn man das Pickerl von aussen aufklebt, kann man doch gar nicht mehr ablesen; dann sieht man doch nur noch die Rückseite!" Aha! Ein Logiker, der Herr Oberstaatsrat! "Spielt das eine Rolle?" kontere ich. "Im Projektlaufplan ÖstAuVig sind keinerlei Gelder für die Kontrolle vorgesehen. Es wurden nämlich nur Gelder für Entwurf, Produktion und Marketing genehmigt..." Der österreichische Ober-Pickerl schnappt nach Luft. "Aber... Das ist streng geheim! Das dürfen Sie gar nicht wissen! Das wird Konsequenzen haben!" ereifert sich Österreich. "Nanana! So geheim auch wieder nicht!" sage ich. "Genausowenig wie der wahre Grund, warum der Auftrag ans Ausland vergeben wurde und nicht von einer österreichischen Firma bearbeitet wird..."

Im Apparat ist für 5 Sekunden Funkstille. Ich warte gespannt.

"Das... das... wissen Sie AUCH?!" kommt es schliesslich fassungslos durch die Leitung.

BINGO! Ich hätte ja wetten können, dass da noch mehr dahintersteckt!

"Na logo", gebe ich zurück. "Aber machen Sie sich keine Sorgen. Solange Sie die kleinen Lapalien vergessen können, über die wir so nett geplaudert haben, und die Projektgelder weiter ungehindert fliessen, sind diese unbedeutenden Hintergrundinformationen bei mir so sicher wie in einem Schliessfach der österreichischen Bundesbank."

Herr Oberstaatsrat Pickert schluckt hörbar, ist aber mit allem einverstanden.

Später, als ich in den Zeitungen nach Prospekten für eine verbesserte Video-Projektions-Anlage (= ÖstAuVig-Gelder) krame, stosse ich auf eine kurze Notiz: 'Österreichische Bundesbank beraubt. Täter entwenden sämtliche Wertsachen aus Schliessfächern in Wien.'

Ich schätze, Oberstaatsrat Pickert wird das nicht lustig finden...


Nach oben Bastard Ass(i) from Hell #36

Der Chef meint, ich müsse etwas für meine Hochschul-Karriere tun, und hat mich zu einem Hauptseminar verdonnert.

"Ich... äh... ich weiss doch, äh... Leisch, dass... nun ja, dass Sie der geborene Hochschullehrer sind... hrrm... ja, und... äh... dass die... die... Dings, na! die Studenten von Ihrer... äh... Einführungs- Veranstaltung... äh... ja, ganz begeistert sind..."

Nach meiner letzten Einführungs-Vorlesung hatten sechs Studenten sich freiwillig einer Therapie unterzogen. Wenn man bedenkt, dass nur sieben es überhaupt gewagt hatten zu erscheinen, keine schlechte Quote.

Als ich den Chef frage, über welches Thema ich ein Hauptseminar veranstalten solle, meint er, ich solle mir was Interessantes einfallen lassen.

Die Wahl eines geeigneten Themas kann für den Erfolg einer LEERveranstaltung entscheidend sein - soviel habe ich schon gelernt. Um mir also allzuviel Stress zu ersparen, kündige ich mein Hauptseminar wie folgt an:

"Performanz-Simulation von API-Switch-Kopplern mit Hilfe 7- dimensionaler nicht-linearer Tensor-Mathematik bei modulierter Heissenbergscher Tunnel-Exuberation (mit praktischen Übungen)"

Trotzdem erscheinen drei (männliche) Studenten zur Vorbesprechung.

"Tres facit collegium", lächele ich grimmig und skizziere den dreien ein Semesterprogramm, dass die sauerstoffarmen Streberjüngelchen noch um fünf Grade blasser werden. Beim nächsten Termin erscheint nur noch einer. Erleichtert kann ich die Veranstaltung wegen 'Mangels an Beteiligung' für dieses Semester absagen.

Bei der Einführungsveranstaltung, da Pflicht für alle Drittsemester, liegt der Fall nicht so einfach. Aber der Chef hat nicht ganz unrecht: ich finde daran sogar so etwas wie Gefallen (obwohl es natürlich mit anstrengender Arbeit verbunden ist!).

Gleich in der ersten Stunde frage ich, wer von den Anwesenden im letzten Semester durchgefallen ist, also diesmal die letzte Chance hat, das Vordiplom noch zu bestehen. Die Namen derer, die so dumm sind, die Hand zu heben, merke ich mir speziell für die Abschlussprüfung vor.

Dann lasse ich eine Liste herumgehen, wo die Studenten ihre email- Adressen eintragen sollen, damit sie von mir Unterrichtsmaterial beziehen können. Schliesslich sind wir ein sehr fortschrittlicher LEERstuhl. Ausserdem macht es mehr Spass, User-Mail zu lesen, wenn man das dazugehörige Gesicht kennt.

Danach beginne ich ohne weitere Verzögerung mit dem umfangreichen Stoff. Ich verwende in dieser Vorlesung meine bewährte 'Wechselbad- Didaktik': in den ersten Stunden heize ich den StudentInnen (da wars wieder!) so ein, dass später niemand sagen kann, ich hätte sie nicht gefordert. Den Rest des Semesters verbringe ich mit läppisch-seichten Zahlen-Spielereien, um dann in der Abschlussprüfung wieder voll zuzuschlagen. Die Tatsache, dass noch niemand die Note 'Sehr gut' erzielt hat, seitdem ich diese Veranstaltung übernommen habe, beweist den durchschlagenden Erfolg meiner Methode.

Die Zeit schreitet voran und schon nach der ersten akademischen Stunde habe ich die gesamte Schulmathematik als 'banale Trivialitäten' an die Tafel geworfen und so schnell wieder abgewischt, dass niemand die Chance hatte, es mitzuschreiben. Der Angstschweiss steht meinen Hörern schon auf der Stirne, als ich locker sage: "Soviel zu den mathematischen Grundlagen, die Sie ja sicher schon beherrschen. Der Vollständigkeit halber wiederhole ich in den verbleibenden 40 Minuten noch kurz die Grundlagen der Quantenmechanik, die wir unbedingt brauchen werden."

Zur Abwechslung verwende ich jetzt den Overhead-Projektor, dessen Fresnell-Linse ich so mit Domestos verätzt habe, dass auf der Leinwand kaum noch etwas zu erkennen ist. Ausserdem ziehe ich die mit Formeln vollgepackten blassen Folien so schnell durch, dass selbst ein Weltmeister im Schnell-Lesen ernsthafte Schwierigkeiten hätte.

Ein Student wagt es, eine absolut triviale Frage zu stellen. Ich ermahne ihn nachsichtig, seine Fragen für die wirklichen Probleme aufzusparen. Als ich die Veranstaltung beende, sind sich 95 % der Anwesenden - mich selbst eingerechnet - relativ sicher, das falsche Studienfach gewählt zu haben.

Eine besonders hartnäckige Studentin tritt mir in den Weg, als ich mich endlich in die Cafete absetzen will. Das mit der asymmetrischen Tensormatrix habe sie nicht ganz verstanden. Wieso brauche man dazu einen Lagrange-Operator?

"Ganz einfach", sage ich, "der Lagrange-Operator erleichtert die partielle Ableitung der Eigenwert-Matrix nach den rotierten Laplace- Koeffizienten. Sie können das alles im 'Kloeber/Meindl' nachlesen, im Kapitel über rotierte Laplace-Koeffizienten." Sie bedankt sich beeindruckt und verspricht, dass sie das sicher tun werde.

Auf dem Weg in die Cafete überlege ich flüchtig, wie lange sie wohl braucht um festzustellen, dass ein Buch dieser Autoren gar nicht existiert. Genausowenig wie ein 'rotierter Laplace-Koeffizient'.

Auf alle möglichen Fragen eine Antwort wissen - das ist es, was einen guten Hochschullehrer ausmacht!

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